Einleitung
Unter der sengenden Mittagssonne in den sanften Hügeln rund um Ijebu schlängelte sich Rauch von Kochfeuern in die Luft, während der Duft von gerösteten Yams über die rotgetränkten Erdwege zog. Familien traten aus ihren geflochtenen Hütten, Körbe balancierend auf den Köpfen, um ihre Schüsseln noch vor der abendlichen Versammlung zu füllen. Dies war kein gewöhnlicher Festtag – die Kunde von einer seltsamen Trommel, tief im Wald vom Jäger Afolabi entdeckt, hatte sich rasch verbreitet. Die Dorfbewohner versammelten sich unter dem riesigen Affenbrotbaum im Zentrum des Dorfes, wo das dunkle Holz der Trommel in der Sonne glänzte. Ein ehrfürchtiges Schweigen legte sich über die Menge, als Afolabi die Hände über dem kunstvoll geschnitzten Instrument erhob. Niemand wusste, was geschehen würde. Dann erklang der erste Schlag, tief und voll Resonanz. Zu jedermanns Verwunderung materialisierten sich bei jedem donnernden Anschlag dampfende Schüsseln mit gestampften Yams und aromatischem Jollof-Reis zu Füßen der Trommel – genug, um das ganze Dorf zu sättigen. Mütter weinten vor Erleichterung, Kinder jubelten, und selbst die Ältesten – anfangs noch skeptisch – umarmten einander ungläubig vor Freude. Bald schon verbreitete sich die Kunde: Die Magische Trommel von Ijebu Village könnte den Hunger für alle Zeit besiegen. Mais und Bohnen, frisches Gemüse und süße Früchte erschienen trommelweise, jedes Echo ein Versprechen von Überfluss. Doch während Laternen die staubigen Gassen erhellten und Lachen in den sternenklaren Himmel drang, regte sich ein Schatten in den Herzen der Menschen. Welches Geschenk, so mächtig, konnte nicht auch Zwietracht säen? Im Flackern des Feuers begannen erste leise Flüstereien des Neids. Stimmen aus den entfernten Feldern forderten ihren Anteil, und aus benachbarten Herrschaftsgebieten trafen Gesandte mit Forderungen ein. So standen die Dorfbewohner vor ihrer größten Bewährungsprobe: das gegebene Wunder zu beschützen und den Geist der Großzügigkeit zu bewahren, der sie verband. In dieser Geschichte trägt jeder Trommelschlag eine Lehre – über Güte, über Gier und über jene Harmonie, die entsteht, wenn wir bereit sind zu teilen, was wirklich zählt.
1. Afolabis Entdeckung und das erste Festmahl
Afolabi war schon immer ein Einzelgänger gewesen, ein Jäger, der Antilopen und Duiker auf Pfaden verfolgte, die nur wenige zu betreten wagten. Eines Morgens, noch vor der Dämmerung, hallte ein tiefes Grollen zwischen den Bäumen und lockte ihn zu einer Lichtung, die im Nebel lag. Dort, halb im weichen Erdreich vergraben, lag die Trommel: Ihre Oberfläche war mit spiralförmigen Mustern verziert, die im Schein seiner Laterne zu wandern schienen. Mit pochendem Herzen berührte Afolabi den polierten Rand und vernahm eine Stimme in seinem Inneren: „Ernähre dein Volk, und es wird gedeihen.“ Zweifelnd, ob es ein Segen oder ein Trugbild der Geister sei, trug er die Trommel zurück nach Ijebu. Die Dorfältesten reagierten zögerlich – doch der Hunger ist ein mächtiger Überredungskünstler. Am nächsten Tag stellten die Dorfbewohner Yams, Mais und Palmöl zu Füßen der Trommel auf. Afolabi hob die Trommelstöcke, spannte die Arme – und schlug einmal zu. Ein schauderndes Schweigen durchlief die Menge. Dann erschienen dampfende Teller mit gestampften Yams, würziger Egusi-Suppe und goldenen Stücken gebratenen Fisches auf den abgenutzten Holzplanken rund um das Instrument. Mütter weinten, während sie großzügig in Tontöpfe schöpften. Kinder tollten im Dampf empor, jagten sich spielend um die Kochstellen. Selbst Iya Lore, die strenge Matriarchin der Dorfkammer, lächelte mit Tränen in den Augen. Als die Sonne weiterstieg, hörten die Gaben nicht auf: Neue Gerichte reihten sich an die bereits vorhandenen – süße Kochbananen in Honig, Schüsseln mit frischen Mangoscheiben, Krüge mit kühlendem Palmwein. Die Magische Trommel hatte ihr Wunder vollbracht.
In den folgenden Tagen blieb die Kraft ungetrübt. Erschöpfte Bauern schöpften neue Kraft aus herzhaften Mahlzeiten, und Kranke erholten sich nach Schlucken des duftenden Hirsebreis. Die Ältesten verkündeten, ihre Ahnen hätten zurückgefunden, um beizustehen. Das einst karge Dorf erblühte, und Nachbarreiche entsandten Gesandte, neugierig auf das Geheimnis. Doch im Schatten hoher Irokobäume jubelten nicht alle gleichermaßen. Neid wuchs wie eine bittere Liane: Wer zu weit hinten stand, sah nur die leeren Körbe am Drumfuß. Ein wohlhabender Händler aus der Ferne erkannte die Gelegenheit, die Trommel für sich zu beanspruchen. Hinter höflichem Geplauder und scheinheiligen Bräuchen begann sich Ijebus Zusammenhalt Stück für Stück zu lösen – während Jäger, Weber und Geschichtenerzähler erkannten, dass außergewöhnlicher Überfluss die dunkelsten Seiten des menschlichen Herzens zu Tage fördern kann.

2. Neid, Intrigen und die Kriegsgefahr
Wochen vergingen, und die Magische Trommel blieb Jebus wertvollster Schatz. Doch mit jedem Glanz rückte auch die Dunkelheit näher. Händler aus fernen Königreichen reisten mit üppigen Geschenken an, in der Hoffnung, das Geheimnis der Trommel zu erkaufen. Die Königinmutter, einst weise und gütig, richtete nun gierige Blicke auf das geschnitzte Holz. Sie argumentierte, Ijebu solle die Trommel als Instrument der Macht einsetzen, um ihren Einfluss über die gesamte Region auszudehnen. Junge Krieger, satt und stark, fühlten sich unbesiegbar und sprachen davon, Truppen zu entsenden, die Trommel im Zweifelsfall mit Gewalt an sich zu reißen. Hinter Palmenwedeln fanden geheime Versammlungen statt, Allianzen wurden im Verborgenen geschmiedet. Ein geheimer Rat, eine gefährliche Verschwörung ehrgeiziger Ältester, beschloss, die Trommel unter dem Schutz der Nacht zur Königinmutter zu bringen. Sie waren überzeugt, dass sie mit der Kontrolle über das Wunder Tributzahlungen ganzer Dörfer erzwingen könnten.
Afolabi aber, entschlossen, das Entdeckte zu bewahren, erfuhr von dem Plan. In einer schlaflosen Nachtwache unter dem Baobab trommelte er einen lautlosen Weckruf, rief alle treuen Jäger, Weber und Bauern zusammen. Beim ersten Licht versammelte sich eine schützende Schar um den heiligen Baum. Die Königinmutter entsandte ihre Wachen mit Fackeln und Speeren, bereit, die Trommel zu entreißen – doch sie standen staunend vor dem unbezwingbaren Kreis der Dorfbewohner. Furcht flackerte in ihren Augen, als Afolabi sie ansprach: „Diese Trommel gehört nicht einem Einzelnen, sondern jedem hungrigen Bauch, den sie gesättigt hat. Sie mit Gewalt zu nehmen heißt, ihr Geschenk zu verraten.“ Spannung knisterte wie ein Gewitter in der feuchten Luft. Speere reckten sich, Stimmen erhoben sich, und für einen Moment schien ein Bruderkriegs zu drohen zwischen jenen, die gestern noch gemeinsam Eintopf gelöffelt hatten. Dann kroch ein schüchternes Kind vor, hielt eine kleine Schale dar und bot sie der Königinmutter an. „Probiere die Süße“, flüsterte es. „Fühle ihren Segen.“ Die Ältesten hielten inne, und in diesem Augenblick kostete die Herrscherin den Brei und erinnerte sich an den wahren Zweck der Trommel: Leiden zu lindern, nicht Zwietracht zu säen. Langsam senkten die Wachen ihre Speere. Die Intrigen des Geheimrats lösten sich auf angesichts der kindlichen Geste des Teilens. Die Königinmutter weinte und gelobte, dass die Trommel am Baobab bleiben und von allen Dorfbewohnern beschützt werde. Doch die Gefahr hatte gezeigt, wie zerbrechlich Frieden sein kann, und offenbarte eine ernüchternde Wahrheit: Selbst Wunder können zur Waffe werden, wenn das Herz des Menschen gierig wird.

3. Wiederhergestellte Einheit und der letzte Segen
Am Morgen nach der Konfrontation herrschte in Ijebu Village ehrfürchtige Stille. Die Kunde von der nächtlichen Verschwörung hatte sich jenseits der Palmenhaine verbreitet, und Gesandte benachbarter Herrschaftsgebiete trafen ein – nicht mit Forderungen, sondern mit Entschuldigungen. Sie fürchteten, dass die Magie der Trommel, würde sie zum Werkzeug der Macht, den Landfrieden gefährden könnte. In einem neu entfachten Einvernehmen beriefen die Königinmutter und die Dorfältesten unter dem Baobab eine Versammlung ein. Sie schmiedeten neue Rituale, um die Trommel zu hüten: jeden Sonnenaufgang sollte eine andere Familie den Trommelschlag ausführen, jeden Sonnenuntergang teilte der breite Dorfkreis die Speisen gleichmäßig, ungeachtet von Rang oder Reichtum. Gierige Händler durften das Instrument weder berühren noch ausleihen. Stattdessen errichteten die Dorfbewohner unter den Ästen des Baobab einen Niedrigschrein aus geflochtenen Schilfmatten und bunten Tüchern, auf dem sie Kola-Nüsse und Palmwein den Geistern darbrachten, die dem Trommelwunder vorausgegangen waren.
Fortan gingen die magischen Feste weiter, doch sie waren nicht länger Spektakel grenzenloser Wunder. Sie wurden zu Versammlungen der Gemeinschaft: Älteste sangen uralte Lieder, während Kinder im Schatten spielten; Frauen flechteten sich gegenseitig die Haare und teilten Schälchen mit süßem Yamsbrei; Jäger erzählten von Mut und Zusammenhalt statt von Eroberung. Mit dem Einsetzen der Regenzeit gediehen die Felder wie nie zuvor – weniger, weil die Trommel Getreide hervorzauberte, sondern weil die Bauern mit neuem Vertrauen und Großzügigkeit siedelten. Ijebus Wohlstand strömte hinaus: Nachbardörfer erhielten Getreidevorräte, und die Märkte florierten in ehrlichem Handel. Die Legende der Magischen Trommel wanderte mit Händlern und Barden in ferne Länder, doch in jeder Erzählung blieb die wichtigste Lehre: Die größte Magie liegt nicht im Instrument selbst, sondern im offenen Herzen derer, die teilen. Neid hatte ihre Harmonie bedroht, doch Empathie und gemeinschaftliche Fürsorge hatten das Wunder bewahrt. Unter den weit ausladenden Ästen des Baobab lernten Generationen, dass geteilter Überfluss die Bande der Gemeinschaft stärkt – und dass wir einander am meisten ehren, wenn wir die Großzügigkeit leben, die in uns steckt.

Schlussfolgerung
Wenn die Sonne über Ijebu Village im Westen versinkt, fluten ihre goldenen Strahlen durch das Blätterdach des Baobab und zeichnen tanzende Muster auf den Boden, wo Reihen dampfender Schüsseln zum Abholen bereitstehen. Die Magische Trommel bewahrt ihren Platz im Zentrum der Gemeinschaft, doch ihre wahre Kraft liegt nicht im unerschöpflichen Festmahl – sie liegt in der Einheit, die sie nährt. Die Dorfbewohner haben gelernt, dass Magie zugleich Prüfung wie Geschenk sein kann. Als der Neid in ihre Herzen kroch, gefährdete er alles, was sie gewonnen hatten; als die Großzügigkeit siegte, kehrte der Frieden zurück und band sie stärker zusammen als je zuvor. Die Stimme der Trommel, donnernd und zugleich sanft, erinnert jede Generation daran: Wahre Fülle bemisst sich nicht daran, was man für sich allein besitzt, sondern daran, was man mit allen teilt. In Märkten und Heimstätten der Region lebt die Geschichte der Magischen Trommel von Ijebu Village weiter und lehrt, dass Harmonie erblüht, wo Mitgefühl Wurzeln schlägt – und dass das dauerhafteste Wunder in der Freundlichkeit liegt, die wir einander schenken.