Einleitung
In der Dämmerung schaukelte eine einsame Kutsche über den schmalen Pfad, der sich über das Moor von Yorkshire schlängelte, während die kargen Hügel vom unruhigen Hauch eines aufziehenden Sturms erzitterten. Mein Herr, ein Mann von feinem, aber rastlosem Geschmack, hatte darauf bestanden, weiterzufahren, obwohl sich über uns immer dunklere Wolken wie Rabenflügel zusammenballten. Von dem Moment an, als wir Whitbys laternenbeleuchteten Kai hinter uns ließen, haftete dem Land eine unnatürliche Stille an, als hielte die Welt selbst den Atem an. Jeder Donnerschlag dröhnte durch die niedrigen Reetdachhütten, die über das öde Moor verstreut lagen, während der ferne Schein der Laternen vom plötzlichen Windstoß und wirbelndem Nebel verschlungen wurde. Der Kutscher, eine hagere Gestalt, gegen den Regen in einen Umhang gehüllt, trieb die Pferde mit bestimmten Worten an, doch ich erhaschte ein Zittern in seinen knotigen Händen. Er sprach wenig, sein Gesicht war unter den Rand eines abgewetzten Huts gesenkt, und seine Augen huschten zu den knorrigen Baumwipfeln, als erwarte er etwas Monströses, das aus den Schatten hervorbrechen würde. Mitten im grollenden Himmel enthüllte der Blitz das skelettartige Gerüst uralter Menhire; ihre Silhouetten erhoben sich wie stille Wächter, die einem Ritual beiwohnten, älter als jede Erinnerung. Während wir uns Carfax Abbey — unserem festgesetzten Ziel — näherten, bot das Flackern einer einzelnen Laterne in dem unheilvollen Innenhof einen dünnen Faden der Zuversicht. Doch jeder Lichtstrahl wirkte gezügelt und gehemmt, als fürchte er sich, zu weit von den alten Mauern abzuweichen. Eine Kette aus Hufnägeln zischte über die feuchten Pflastersteine, und mein Herz schlug in angespannter Regelmäßigkeit, die von unsichtbaren Dingen flüsterte. Denn während mein Herr in der versiegelten Kutsche schlief, spürte ich ein unaufhaltsames Wirken, das mich in eine Geschichte unaussprechlichen Schreckens lockte und den Verlauf meiner Reise für immer verändern sollte.
Vorbote auf dem Moor
Als sich die Kutschtüren öffneten, setzte ich einen Fuß auf die durchnässte Erde, und die Kälte des Moors drang wie geisterhafte Finger durch meinen Mantel. Das Heulen des Windes trug tausend Leben voller Kummer mit sich und ließ die Heide in einer unruhigen Choreographie grau-grüner Wellen erzittern, bevor sie in der Düsternis verschwand. Jeder meiner Schritte hallte von den fernen Hügeln wider, die wie verlassene Geister aufragten, und ich blieb neben einer knorrigen Eibe stehen, deren verdrehte Äste unter der Last stummer Vorzeichen knickten. Unter dem schmutzigen Schleier der Wolken verschwand der gewundene Weg vor mir im wirbelnden Nebel, und mit jedem Atemzug schmeckte ich den scharfen Beigeschmack von Regen und Farnkraut. Die Pferde schnaubten unruhig, ihre Flanken bebten, als teilten sie meine unausgesprochene Furcht, und der Kutscher — ein Mann weniger Worte — zeigte auf ein schwaches Laternenlicht in der Ferne, das wie ein Auge in der Dunkelheit ruhte. Ich folgte ihm, die Brust angespannt von Vorfreude und Unheil, als wäre ich von einem unsichtbaren Faden durch das schlingernde Nebelmeer geführt.
Hinter einem Hain flüsternder Kiefern stieß ich auf eine seichte Wasserfläche, die die schwache Flamme der Laterne spiegelte. Die Oberfläche kräuselte sich in Regentropfen, jeder Aufprall eine winzige Explosion aus Silber, die im zunehmenden Grau verblasste. Hier lag die Luft so schwer, dass jeder Atemzug bleiern wirkte, als gelüste es der Schwerkraft selbst nach meinem Atem. Ich kniete nieder und beobachtete, wie mein Spiegelbild im dunklen Wasser schwankte und zerbrach, bis ein Flimmern der Bewegung die glatte Oberfläche störte. Unter der Wasseroberfläche glitt eine lange, geschmeidige Form — nichts weiter als eine Andeutung — vorüber und hinterließ konzentrische Kreise, die mir wie ein Herzschlag entgegenschlugen. Alarmiert erhob ich mich, jeder Nerv lebendig für das Stöhnen unsichtbarer Flügel oder das leise Trappeln von Hufen auf dem weichen Gras. Der Schein der Laterne lockte noch immer voraus, trotzig gegen den trostlosen Horizont, und ich zwang mich vorwärts, verfolgt von der Gewissheit, dass hier auf diesem Land etwas lebte, das weitaus älter war als jeder Mensch.
Der Pfad schlängelte sich erneut und enthüllte schließlich die Silhouette von Carfax Abbey, halb in Trümmern, die Steine geschwärzt von zahllosen Stürmen und geflüsterten Sünden. Efeu würgte die Fensterbögen, und die zerborstenen Scheiben warfen kein Licht zurück, wie blinde Augen, die ins leere Herz des Moors starrten. Eine niedrige Mauer zerbröckelte neben dem Kutschweg, bot weder Begrüßung noch Warnung, nur stumme Herausforderung. Ich drängte weiter in den Innenhof, jeder Schritt verschluckt von kriechendem Moos und dem Schweigen einer unheiligen Ruhe. Doch selbst in dieser stummen Weite spürte ich den Herzschlag der Abtei — das Zittern uralter Macht, das unter dem kalten Stein pulsierte und auf eine Einladung wartete. Unbewusst von der Lampe angezogen, die jenseits des Torbogens brannte, spürte ich etwas an meinem Verstand kratzen, ein Versprechen des Schreckens, das Fleisch und Knochen trotzen würde, selbst wenn die Sonne dämmerte.
Echos bei Carfax
Die Kutsche rollte mit einem Scheppern in den Innenhof, die Stille des Moors zerschmetternd wie ein Donnerschlag in der Ruhe. Mein Herr schreckte hoch und blickte durch den schmalen Spalt des Kutschenfensters auf den drohenden Torbogen, wo die Lampe ihr schwankendes Licht warf. Ich bot ihm meine Hand, um ihn zu stützen, während er aus dem Sitz stieg, die Rockschöße feucht und das Haar von den unbändigen Fingern des Windes zerzaust. Seine gelassene Haltung wankte nur einen Augenblick, als wir die zerbrochenen Steine und die schleichenden Schatten betrachteten, die sich in jeder Fuge sammelten. Der Kutscher rief leise, seine Stimme bebte, als hätte die Abtei ihm den Mut geraubt, und er führte die Pferde hinter uns zu einem Stalltor, versiegelt von morschenden Türen. Ich folgte meinem Herrn über den Kiesweg, wo Moos wie Samt über Grabsteine wuchs, die zur Hälfte in die Erde gesunken waren. Hier verstummte der Regen gänzlich, als seien die Tränen der Schwerkraft versickert, und zurückblieben nur der hauchfeine Duft von nassem Stein und altem Schwefel.
Vor uns standen die Haupttüren offen, gähnend, und gaben eine gewölbte Halle preis, durchdrungen von Modergeruch und Feuchtigkeit. Flackernde Wandkandelaber säumten die Wände, ihre Flammen tanzten wie gefangene Seelen, die nach Freiheit dürsteten. Mein Herr schritt mit bedachten Schritten durch den Torbogen, sein Umhang wallte hinter ihm her, bis die schweren Eichentüren krachend hinter uns zufielen. Ein fernes Echo von Gelächter — tief und höhnisch — schlängelte sich durch die Gänge und ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Die Wände tropften vor Kondenswasser, und jedes beschädigte Antlitz einer Statue wirkte, als stünde es unter Anklage für ein längst vergangenes Verbrechen. Kerzen flackerten in gewölbten Nischen, ihr Wachs erstarrt mitten im Tropfen, und eine Kälte kroch durch den Steinboden wie ein Lebewesen auf der Suche nach Wärme. Ich zündete eine Laterne an und hob sie empor; der schwache Schein enthüllte ein prächtiges Treppenwerk aus Onyx, das in die Dunkelheit emporstieg.
Wir stiegen zu einer schwach erleuchteten Kammer hinauf, in der sich angeblich der seltsame Gastgeber meines Herrn aufhielt, jeder Schritt klang wie ein langsamer Trommelschlag. Bei jeder Wendung hingen Wandteppiche mit Kronen und Kreuzen in Fetzen herab, ihre Hymnen auf Glauben und Krone zerfetzt von Zeit und Verfall. Eine erdrückende Stille hüllte uns ein und drückte so schwer auf uns, dass jeder Atemzug sich anfühlte, als würde man durch dichten Filz waten. Dann, kurz vor der Treppenabsatz, hielt mein Herr inne, sein Gesicht eine blasse Maske aus Staunen und Furcht. Vor ihm stand ein offener Bilderrahmen — ohne Leinwand, als hätte sich das Porträt ins Nichts aufgelöst. In der Ferne läutete eine einzelne Kapellenglocke, obwohl kein Turm mehr existierte, um eine solche Glocke zu beherbergen. Der Klang hallte erneut, durchzuckte die Luft mit unheimlicher Inbrunst, und mir dämmerte schlagartig, dass wir im Untergeschoss keine Uhr gesehen hatten. Die Zeit, so schien es, war von den hungrigen Mauern der Abtei verschlungen worden, sodass nur Echos und Schatten unsere Eindringung bezeugen konnten.
Mitternacht der Untoten
In der obersten Kammer betraten wir einen gotischen Salon, dessen hohe Fenster zum Moor hineinstarrten wie offene Augen, die das Sterben der Welt beobachtet hatten. Samtvorhänge, schwarz wie frische Trümmer, hingen in schweren Falten, halb gelöst von verrotteten Stangen. Der einzelne Kronleuchter über uns trug erloschene Kerzen, deren Dochte seit Jahrzehnten keinen Funken gesehen hatten. Ein langer Tisch in der Raummitte war mit angelaufenem Silber und Kristallkelchen gedeckt; deren einstige Füllung war längst in ölige Flecken auf dem Eichenholz verdampft. Mein Herr schritt zur Kopfposition am Tisch, als stünde er bereit, eine Schar geehrter Gäste zu empfangen. Ich folgte ihm, die Laterne in der zitternden Hand, und als wir den Stuhl am Ende erreichten, raubte eine plötzliche Kälte dem Raum jegliche Wärme.
Aus den Schatten lösten sich Schritte — lautlos, bewusst. Eine Gestalt, gehüllt in ein tiefschwarzes Gewand, glitt vorwärts, konturenlos wie Rauch und doch unnatürlich grazil. Es brannte keine Kerze, die ein Gesicht enthüllt hätte; nur das leise Zischen von Seide und das Gewicht einer Präsenz, schwerer als jede sterbliche Fülle. Mein Herr zuckte nicht zusammen; stattdessen neigte er würdevoll den Kopf. „Willkommen in Carfax, Sir“, verkündete er mit klarer, unerschütterlicher Stimme. Der Fremde setzte sich in den leeren Bilderrahmen, der an der Wand lehnte, als sei er von magnetischer Kraft angezogen. Für einen Herzschlag regte sich nichts. Dann zeichnete sanft silberner Blitz von jenseits der Fenster die Silhouette der Gestalt: ein kantiges Profil umrahmt von verfilzten, netzartigen Haaren, schlanke Hände, gebogen wie Klauen. Dort, wo menschliche Augen sein sollten, glühten zwei Punkte blasser Leuchtkraft. Eine langsame, klangvolle Stimme, wie Graberde, die auf Eisenschienen rutscht, erfüllte die Kammer. „Ich habe Sie erwartet“, sagte sie. Die Worte zitterten durch die Luft und wirbelten Staub und Furcht zugleich auf. Meine Laterne flackerte und erlosch fast, während das Leuchten jener jenseitigen Augen stärker wurde und den Raum mit unheiligem Licht erfüllte. Jede Kerze flammte noch einmal auf und erlosch dann, und stürzte uns in eine obsidianfarbene Leere, durchbohrt allein von jenem Blick. Ich spürte, wie mein Herz langsamer schlug, als lähme es das endlose Dunkel, und nur mit großer Willenskraft setzte ich einen Schritt nach vorn, die Laterne erneut erhoben. Der Fremde erhob sich, und die ganze Welt schien den Atem auszustoßen, den sie seit Urbeginn zurückgehalten hatte. Als sich die Kammertür krachend hinter uns schloss, rief uns das tiefe Läuten der alten Glocke in die Finsternis. In diesem letzten Augenblick begriff ich, dass ich kein bloßer Gast war: Ich war zur Beute in einem Spiel geworden, so alt wie die Sünde selbst.
Schluss
Der Morgen fand mich taumelnd auf dem Moor, getränkt in Tau und Entsetzen, die ersten Sonnenstrahlen brannten über einen Himmel, der noch von Purpur und Blutergüssen der vergangenen Nacht durchzogen war. Die Mauern von Carfax Abbey lagen schweigend hinter mir, ihre dunklen Türme bildeten nun ferne Silhouetten am fahlen Horizont. Ich sprach nicht von dem, was ich erlebt hatte; Worte versagten unter der Last solch urzeitlichen Grauens. Stattdessen setzte ich meinen Weg in Richtung Zivilisation fort, jeder verblassende Hufabdruck hinter mir eine Erinnerung daran, dass manche Türen, einmal geöffnet, sich nie wieder schließen lassen. Bis heute höre ich das leise Echo jener gespenstischen Stimme, vom Wind durch die einsame Heide getragen. Und jedes Mal, wenn der Wind vom Moor herabflüstert, werfe ich einen Blick über die Schulter, halb erwartend, jene leuchtenden Augen am Rande meines Blickfelds zu sehen, die mich zurück in die Finsternis zu locken versuchen, der ich nur knapp entkommen bin.