Einführung
In den fernsten Winkeln des alten Irland, wo Nebel sich um moosbedeckte Steine schmiegten und das Flüstern von Bächen durch smaragdgrüne Wälder tanzte, entstand eine Sage, älter als die Sprache ihres Volkes. Es ist eine Geschichte, nicht nur von Liebe, sondern auch von Sehnsucht, die die Fesseln der Zeit übersteigt, vom neidischen Zorn der Unsterblichen und von der zerbrechlichen Schönheit des menschlichen Lebens. Im Mittelpunkt steht Etain, eine Frau, deren Anmut selbst das schönste Morgenrot übertraf – ihre Erscheinung entfachte tiefste Wünsche und entfesselte die heftigsten Rivalitäten unter Göttern wie Menschen. Geboren in den leuchtenden Hallen der Tuatha Dé Danann – jenes unsterblichen Geschlechts, das die Hügel und Wiesen bewohnte, bevor Menschen je das Land bebauten –, verkörperte Etain reine Anmut und sanfte Ausstrahlung. Doch das Schicksal, launisch und unerbittlich, verbannte sie aus dem Glanz der Götter in eine Welt, die von Leid, Hoffnung und Verwandlung geprägt war. Ihre Reise führte durch Zeitalter und Königreiche, verstrickte mächtige Herrscher, gestaltwandelnde Zauberer und jene Elementargeister, die durch Irlands uralte Haine wisperten. Dies ist keine Geschichte für Zaghafte oder für Trauernde in Liebesdingen, denn sie verwebt Herzschmerz mit Hoffnung, Opfer mit Belohnung und zeigt die Liebe zugleich als Segen und Qual. Durch jede Wendung ihres Schicksals bleibt Etain beides – Göttin und Mensch –, ihr Geist ungebrochen, auch wenn die Welt um sie herum so unstet bleibt wie das irische Wetter. In den Tälern, wo Weißdornblüten fallen und der Wind Geheimnisse aus der Anderswelt trägt, verweilt Etains Geschichte – ihr Echo verspricht, dass selbst in den dunkelsten Momenten Schönheit und Liebe neu geboren werden können.
Die Verzauberung und Verbannung von Etain
Etains Geburt war selbst unter den Tuatha Dé Danann ein Wunder, denn sie schien aus Sonnenlicht und Lachen gewoben. Als Tochter von Ailill wurde sie wegen ihres sanften Herzens und einer Schönheit, die mit der des Frühlingsmorgens rivalisierte, verehrt. Ihr Erscheinen in den unsterblichen Höfen stiftete Freude – aber auch Neid. Unter allen bewunderte sie niemand so sehr wie Midir, Herr von Brí Léith, ein Edelmann unter Göttern, berühmt für seine Weisheit und seine Sehnsucht nach dem Außergewöhnlichen. Ihre Liebe entfaltete sich zart und verborgen in geheimen Lichtungen, wo Flüsse sangen und jedes Blatt vor Vorfreude zu beben schien. Midir warb um Etain mit Melodien, gespielt auf silbernen Harfen, und leisen Worten unter uralten Bäumen. Schließlich heirateten sie – ihre Vereinigung wurde mit Festen und Segnungen gefeiert. Doch selbst unter Unsterblichen bleibt Glück selten ungetrübt. Midirs erste Frau, Fuamnach, sah mit kalter Wut zu, wie ihr Platz in seinem Herzen verlorenging. Fuamnach, eine Zauberin von ungeheurer Macht und bitterem Stolz, spann Verhexungen aus Eifersucht und Rache. Ihre Magie war zunächst subtil: Winde, die Etains Lachen forttrugen, Schatten, die sich in ihre Träume schlichen. Als das nicht genügte, wurde Fuamnachs Zorn wild. Mit Sprüchen und uralten Worten rief sie einen Sturm herbei, der Etain von Brí Léith hinforttrug, wirbelnd durch Wälder und Täler.
Sieben Jahre lang wanderte Etain, verwandelt von Fuamnachs Zauberkraft – erst in einen funkelnden Wassertümpel, dann in eine Libelle, die darüber flirrte. Jahreszeiten zogen vorüber, und immer flatterte Etain von Ort zu Ort – ohne Rast, ohne zu altern, von Einsamkeit gepeinigt, getragen auf jedem Wind. Manchmal schwebte sie nahe dem Feuer der Dörfer und hörte das Lachen der Sterblichen; manchmal strich sie über Blütenblätter und sehnte sich danach, wie einst als Frau die Erde zu spüren.

Doch Fuamnachs Zauber kannte kein Erbarmen. In einem wilden Sturm wurde die Libellen-Etain in einen Kelch Met geblasen, im Haus des Etar, des Häuptlings von Ulster. Dort wurde sie von Etars Frau verschluckt, und so begann ihr Weg zurück ins sterbliche Leben. Wiedergeboren als Menschenkind wuchs Etain nun unter den Leuten von Ulster auf, leuchtend und sanft – ihre andereweltliche Grazie zeigte sich in jedem ihrer Gesten. Sie wusste nichts von ihrer göttlichen Herkunft, nur dass sie manchmal von Musik im Wald träumte und einer Liebe, die jenseits der Erinnerung wartete. Die Kunde von ihrer Schönheit verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch Irlands Höfe und Clans. Freier reisten tagelang nach Ulster in der Hoffnung, ihre Hand zu gewinnen. Sie blieb abwesend, als würde sie auf eine Stimme hören, die nur sie vernehmen konnte. Könige sandten Geschenke – Juwelen, Pferde, Versprechen von Königreichen – doch Etains Herz blieb unberührt, ihr Blick immer suchend am Horizont. Die Menschen flüsterten damals, sie habe die Seele eines Schwans: anmutig, entrückt, zum Kummer bestimmt.
Der sterbliche König und die Rückkehr von Midir
Im Königreich von Tara, hoch auf sanften grünen Hügeln, herrschte Eochaid Airem – ein König, berühmt für Weisheit und seinen Hunger nach Ruhm. Als ihm Kunde von Etains Schönheit ans Ohr drang, spürte er ein Verlangen, wie er es nie zuvor gekannt hatte. Fest entschlossen, sie für sich zu gewinnen, reiste Eochaid mit seinem Gefolge, beladen mit Geschenken und silberzüngigen Dichtern, nach Ulster. Sein Kommen wurde durch flatternde Banner und hoffnungsvolle Lieder der Musiker angekündigt. Etar empfing Eochaids Werbung wohlwollend, und Etain – neugierig und freundlich – willigte ein, den König zu treffen. Sie fand ihn edel, gerecht im Urteil, und in seinen Augen erkannte sie eine Sehnsucht nach mehr als bloßer Macht. Obwohl ihr Herz noch von vergessenen Träumen hallte, entschied sich Etain, Eochaid zu heiraten, im Glauben, vielleicht in sterblicher Liebe Frieden zu finden.
Ihre Hochzeit wurde zum Spektakel: Feste dauerten sieben Tage, Barden dichteten Verse für die Ewigkeit, ganz Tara leuchtete vor Freude. Eine Zeitlang fand Etain Zufriedenheit. Sie pflegte die königlichen Gärten, lauschte dem Gesang des Flusses und betrachtete die Sterne, die sich über dem Hügel von Tara drehten. Doch in stillen Augenblicken spürte sie ein Ziehen in sich – das Gefühl, dass ihre Geschichte noch nicht vollendet war und ihr Herz auf etwas wartete, das sie nicht benennen konnte.

Unterdessen trauerte Midir im verborgenen Brí Léith. Die Welt der Menschen war ihm fern geworden, doch die Erinnerung an Etain brannte unvermindert hell. Er streifte traurig durch die Anderswelt, suchte Rat bei Druiden und weisen Frauen, in der Hoffnung, einen Weg zu ihr zu finden. Schließlich erfuhr er, dass Etain wieder lebte – als sterbliche Königin von Tara. Angetrieben von einer Liebe, die selbst den Tod und die Zeit überwand, machte sich Midir verkleidet als Edelmann nach Tara auf. Er trat nicht als Rivale auf, sondern als Herausforderer in den berühmten Spielen des Königs. Eochaid lud jeden in Taras Hallen ein: Schachspieler, Rennreiter, Männer von Witz und Geschick. Als Midir um ein Spiel Fidchell, das alte irische Königsspiel, bat, stimmte Eochaid zu. Das Duell währte bis tief in die Nacht, Midir konterte jeden Zug des Königs. Zunächst spielten sie zum Vergnügen, doch als Midir zu siegen begann, forderte er Einsätze: erst Gold, dann Streitwagen, zuletzt eine Gabe eigener Wahl. Eochaid, stolz und siegessicher, willigte ein. Als Midir seinen Preis offenbarte – eine Umarmung und einen einzigen Kuss von Etain – erscholl in der Halle empörter Protest. Doch das Wort des Königs war Gesetz.
Eochaid war gezwungen, Midir seinen Preis zu gewähren, verweigerte das Treffen jedoch in seinem Beisein. So wartete Midir einen Monat und kehrte zu einem großen Fest nach Tara zurück. Inmitten der Fackeln sah Etain ihn – einen Fremden mit Augen wie ein stürmisches Meer; sein Blick rührte längst vergessene Erinnerungen. Midir sprach Worte, die nur ihr Herz verstand, und in diesem Augenblick veränderte sich die Welt. Er zog sie zu sich in einen Tanz vor versammeltem Adel. Während sie sich drehten, brauste Wind durch den Saal, hob sie empor – hinaus über die Felder und fort von Tara. Im Bruchteil eines Moments waren sie verschwunden, zum Entsetzen des Königs und aller Anwesenden.
Rätsel der Identität und der Triumph der Liebe
Der Wind trug Etain und Midir weit weg von Tara – über Flüsse und Wälder, durch Schleier aus Nebel ins verborgene Reich von Brí Léith. Dort erinnerte sich Etain ihres früheren Lebens: an die Musik der unsterblichen Höfe, an Midirs sanften Blick, an die Liebe, die Zeit und Tod nicht zerbrechen konnten. Sie trauerte um alles, was sie verloren hatte, fand aber erneut Trost in Midirs Armen. Für eine Weile lebten sie im verborgenen Glück, doch Freude in der Anderswelt bleibt niemals frei von Schmerz. Eochaid, verzehrt von Wut und Kummer, schwor, seine Königin zurückzuholen. Mit Druiden und weisen Männern suchte er Zugänge zu den Feenhügeln. Nacht für Nacht gruben seine Leute in Brí Léiths Erde, bis sie schließlich einen Weg in die Anderswelt fanden.

Midir, der kein Blutvergießen wollte, unterbreitete Eochaid eine Herausforderung: Wenn es dem König gelinge, Etain unter fünfzig gleichen Frauen – alle in Gesicht und Gestalt identisch – zu erkennen, dürfe er sie zurückholen. Die Frauen traten vor Eochaid, ihr Haar glänzte im Feenschein, jede Bewegung spiegelte Etains Grazie. Doch nur eine hatte eine einzige Träne auf der Wange – ein stilles Zeichen ihres Schmerzes. Eochaid wählte sie in der festen Überzeugung, gesiegt zu haben. Doch das Schicksal ist selten so einfach gestrickt. Die Frau, die er beanspruchte, war nicht Etain, sondern ein Trugbild, erschaffen durch Midirs Magie. Die wahre Etain blieb verborgen, ihr Herz zerrissen zwischen zwei Welten.
In den Tagen darauf rang Etain mit sich: War sie Göttin oder Sterbliche? Geliebte Ehefrau oder nur Spielball des Schicksals? Midir, verständnisvoll gegenüber ihrem Kummer, ließ ihr die Wahl: Wohin sie auch wollte, in die Welt der Sterblichen oder an seiner Seite. Gestählt durch Leid und Sehnsucht traf Etain ihre Entscheidung. Sie wollte beides leben – das Menschliche annehmen und doch die Anderswelt in sich tragen. Mit Midirs Segen kehrte sie nach Tara zurück, bereichert durch die Weisheit ihrer Reise. Eochaid empfing sie mit offenen Armen, sein Stolz gemildert durch Verlust. Etains Anwesenheit brachte dem Königreich Frieden; sie wurde zum Sinnbild für Hoffnung und Ausdauer, zur Brücke zwischen Sterblichen und Unsterblichen.
So sehr ihre Geschichte auch von Schmerz und Sehnsucht gezeichnet war – Etains Geist blieb ungebrochen. Sie liebte mit einem Herzen, das zugleich uralt und neu war, ihre Erinnerung lebte überall dort fort, wo Wildblumen blühten oder Nebel über die Hügel zog. In jeder Generation wurde die Sage von Etain am Herd weitergeflüstert – das Versprechen, dass Liebe, einmal entfacht, niemals wirklich vergeht.
Schlusswort
Etains Geschichte lebt fort, weil sie von der zerbrechlichen Schönheit der Liebe erzählt und von der Kraft, sie selbst durch Zauber und Mühen zu bewahren. Sie ist mehr als eine Göttin, gefangen im Strudel des Schicksals – sie ist jede Seele, die aus dem Glück verstoßen wurde und dennoch den Weg zurück fand: verwandelt, aber ungebrochen. Über Irlands Hügel und uralte Steine wird ihr Name ehrfürchtig genannt – als Erinnerung daran, dass Liebe, selbst wenn sie verloren scheint oder Hoffnung unter Kummer vergeht, stets auf einen Neubeginn wartet, leuchtend am Rand der Erinnerung. Der Wind, der Etain einst über Königreiche trug, streicht noch immer über das Gras der alten Gräber; die Flüsse singen ihren Namen, wenn sie von den Bergen zum Meer fließen. In jedem Herzen, das wagt, gegen alle Widerstände zu lieben, lebt Etains Geist fort – wird mit jedem Morgen neu geboren, als Beweis, dass das Schicksal nicht nur eine Kette aus Schmerz ist, sondern ein Kreis, in dem Schönheit und Hoffnung immer wiederkehren.