Einleitung
Unter dem weiten, staubverwehten Himmel schien der kleine Wüstenbahnhof den Atem anzuhalten. Zu beiden Seiten erhoben sich je ein niedriger Hügel, von der unerbittlichen Sonne gebleicht und im Zwielicht wie große weiße Elefanten wirkend. Ein Segeltuchdach spannte sich über einen einsamen Holztisch und bot nur spärlichen Schutz vor dem grellen Licht. An diesem Tisch saßen ein Mann und eine Frau, jeweils eine Reisetasche zu Füßen. Er lockerte den Kragen und betrachtete den Horizont. Sie fuhr mit unruhiger Fingerspitze über die rissige Holzplatte und ließ ihren Blick zu den fernen Hügeln wandern. Ihr Gespräch begann mit höflichen, abgehackten Phrasen – jene Art, die um ein unmögliches Thema Platz schaffen soll. Jeder Laut schien wohlüberlegt, als würden sie jedes Wort abwägen, bevor sie es zwischen sich hindurchsinken ließen. Selbst die scharfe Brise, die das Stationsschild klappern ließ, konnte das sorgfältig austarierte Gleichgewicht ihrer Unterhaltung nicht stören. Obwohl der Bahnsteig leer und reglos war, knisterte die Luft zwischen ihnen vor unausgesprochenen Hoffnungen und unausgesprochenen Ängsten.
Unter dem Segeltuchdach
Er zupfte am ausgefransten Rand der Tischdecke, ohne sie anzusehen. „Sie haben nicht mitgebracht, wofür wir gekommen sind“, sagte er leise. Die Worte schwebten zwischen ihnen, reglos wie Staubkörnchen im Sonnenstrahl.

Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas, dessen kalter Rand sich an ihre Finger drückte. „Dafür sind wir nicht allein hierhergekommen“, erwiderte sie. Ihre Stimme war ruhig, doch leise, als spräche sie nur zu sich selbst. Das Stimmengewirr einer fernen Ortschaft lag am Rande des Hörbaren, doch hier schien die Welt eigenartig stillzustehen.
Er drehte den Kopf, der Rand seines Huts warf einen dünnen Schatten über seine Augen. „Ich weiß“, murmelte er. „Aber wir können es nicht länger ignorieren. Es sind inzwischen Monate—“
„Du hast es versprochen“, fiel sie ihm ins Wort, den Blick auf den leeren Horizont gerichtet. „Du hast versprochen, dass ich in meiner Zeit entscheiden darf.“
Er nickte, seine Fingerspitzen strichen über eine abgebrochene Kaffeetasse. „Ich habe es ernst gemeint. Und ich meine es immer noch so.“ Die Sanftheit in seiner Stimme, fast wie eine Bitte, ließ den Raum zwischen ihnen zu schrumpfen scheinen, auch wenn sich nichts physisch bewegte.
Ihr Blick wanderte hinauf zu den fernen Hügeln – zwei blasse Kämme vor dem Himmel. „Sie sehen aus wie weiße Elefanten“, sagte sie nach einer Pause, fast zu sich selbst. Die Röte in ihren Wangen stieg auf, als wäre es eine Erinnerung.
Er folgte ihrem Blick. „Weiße Elefanten“, wiederholte er. „Selten und beschwerlich – niemand möchte wirklich einen.“
Sie atmete ein, langsam und überlegt. „Warum also nicht loslassen?“ Sie zögerte, sah ihm endlich in die Augen. „Warum reden wir immer noch um das Thema herum?“
Worte zwischen den Gleisen
Der Wind frischte hinter ihm auf und ließ ein loses Schild wackeln, auf dem stand: "No Luggage Beyond This Point." Er runzelte die Stirn über den verrosteten Buchstaben. „Dieses Schild hängt schon ewig hier“, sagte er, fast um das Thema zu wechseln. „Es bedeutet nicht viel.“

Sie warf einen Blick auf das Schild, dann zu ihm. „Wir haben mehr mit uns herumgetragen als nur Taschen“, antwortete sie. Ihre Silhouette wirkte zerbrechlich vor dem weiten Himmel, doch ihre Stimme trug das Gewicht der Wüstenhitze.
Er beugte sich vor. „Wenn es dir das Leben erleichtert—“ begann er.
„Aber bitte“, sagte sie leise, doch ihre Augen verrieten eine Art Dankbarkeit. „Sag das nicht. Ich bin diejenige, die sagen muss, was richtig ist.“
Er schloss einen Moment die Augen. Das leise Pfeifen der Gleise rauschte an ihnen vorbei. „In Ordnung“, gab er nach. „Was ist richtig?“
Sie starrte auf ihre Tasse und beobachtete, wie das Eis schmolz. „Manchmal ist das Schwierigste an der Freiheit loszulassen“, murmelte sie.
Er beobachtete sie aufmerksam, das Licht fing das Zittern in ihrer Stimme ein. „Und manchmal ist es am schwierigsten, an der Hoffnung festzuhalten.“
Sie hob den Kopf, und für einen Augenblick schien sie weit weg. „Dann haben wir beide versucht, an etwas festzuhalten, das uns entgleitet“, sagte sie.
Er nickte langsam. „Vielleicht ist es deshalb so schwer, eine Entscheidung zu treffen.“
Jenseits der weißen Hügel
Sie stand auf und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen das Geländer, als würde sie sich gegen den Wind stemmen. „Ich will morgen nicht bereuen, was ich heute aus Angst versäumt habe“, sagte sie. Sie blickte ihn an, von der Sonne umrissen in einem sanften Lichtschein.

Er erhob sich ebenfalls und schloss jene Lücke zwischen ihnen, die unüberwindbar schien. „Ich will dich nicht verlieren“, sagte er. Seine Worte waren nicht laut, doch sie drangen durch die stille Landschaft.
Sie atmete ruhig ein. „Dann vertraue mir genug, um mich entscheiden zu lassen“, flüsterte sie. Ihre Hände entspannten sich. „Was auch immer ich entscheide, geh nicht fort.“
Er streckte die Hand aus, seine Finger zitterten kaum merklich. „Das werde ich nicht“, schwor er. „Ich bleibe hier.“
Sie senkte den Blick, hob ihn dann wieder und traf seinen Blick in einem stummen Pakt. Die Hügel hinter ihnen fingen die letzten Sonnenstrahlen ein und leuchteten sanft. „Wir halten unser Versprechen“, sagte sie schlicht.
Er schenkte ihr ein kleines, erleichtertes Lächeln. „Darauf können wir uns verlassen“, stimmte er zu.
Sie setzten sich wieder unter das Segeltuchdach, das Gepäck wartete schweigend am Tisch. Die Sonne sank tief, und zum ersten Mal seit ihrer Ankunft fühlte sich die Luft zwischen ihnen leichter an, als ob die Last von etwas Unausgesprochenem in die Erde gesunken und Teil dieser endlosen Wüste geworden wäre.
Schluss
Das Pfeifen des Zuges erhob sich jenseits des Kamms, fern und doch unverkennbar. Sie sammelten ihre wenigen Habseligkeiten ein, die Last der Entscheidung nun sanft tragend, wie ein zwischen zweien geteiltes Geheimnis. Sie hängte sich ihre Tasche über die Schulter; er griff nach der anderen. Seite an Seite traten sie auf den Bahnsteig. Die Hügel lagen still und wachsam da, als hätten sie mehr als nur Worte bezeugt. Ihre Entscheidung – was immer sie auch sein mochte – war getroffen, und in diesem Wüstenstille fanden sie ein Stück Frieden. Als der Zug heranrückte, änderte sich die Luft, kühler nun, umweht von dem Versprechen des Abends. Wortlos sah sie ihn noch einmal an, und er lächelte, wohl wissend, dass manchmal Mut einfach bedeutet, gemeinsam dem Morgen entgegenzutreten.