Einleitung
An einem frischen Oktobermorgen im Jahre 1872 schien sich der Nebel, der Londons Paddington Station umhüllte, zur Seite zu schieben, als Phileas Fogg herantrat. In einem maßgeschneiderten Gehrock und Zylinder wirkte er ruhig inmitten der wirbelnden Menschenmenge, sein stahlgrauer Blick voller Entschlossenheit und distanzierter Neugier. Heute hatte er fünfzigtausend Francs auf eine einzige Wette gesetzt: die Erde in achtzig Tagen zu umrunden. Für Außenstehende grenzte das Vorhaben an Wahnsinn – ein unmögliches Rennen gegen Distanz und Zeit. Doch Foggs Wille blieb unerschütterlich, und an seiner Seite bewegte sich der stets loyale Diener Passepartout mit ungeduldiger Erwartung, während er Tickets kontrollierte und Gepäck sicherte. Ringsum pulsierte Paddington vor Leben: das Zischen von Dampf, das Grollen der Räder und der Geruch von Kohle mischten sich mit rauchigem Frühstücksduft von den nahegelegenen Ständen. Selbst die eilfertigsten Reisenden hielten inne, um Fogg bei der Prüfung eines Taschenglobus zu beobachten – jeder Punkt auf dieser Karte versprach eine zu bezwingende Stadt, eine einzuhaltende Frist. Mit einem letzten Blick auf seine polierte Taschenuhr zog Fogg eine kaum wahrnehmbare Augenbraue hoch, als fordere er die Zeit selbst heraus. Dann, mit einem leisen Nicken, stieg er in den ersten Waggon. So begann seine Odyssee: Zugfahrten quer durch Europa, domestizierte Elefanten in Indien, Wüstensand unter gnadenloser Sonne und stürmische Ozeanpassagen. Jeder Meile würde Foggs Einfallsreichtum und Geduld auf die Probe stellen – Bündnisse schmieden und Rivalitäten entfachen. Als das Pfeifen ertönte, waren die Einsätze höher denn je, und die Welt in all ihrer Weite wartete.
Dem Wettlauf gegen die Zeit über Kontinente hinweg
Als die Dampfpfeife Abschiedston auf Paddington Station blies, stieg Phileas Fogg mit der gewohnten Präzision in den Zug. Die Lokomotive ruckte an, und die Silhouette Londons – Backsteinfabriken, pferdegezogene Kutschen, neblige Docks – verschwand hinter ihm. An Foggs Seite hielt Passepartout eine Ledertasche mit Karten, Wechselbriefen und allem Notwendigen für die kommenden sechsundsiebzig Tage. Ihr erster Halt in Dover bot nur einen kurzen Zwischenstopp, bevor die Fähre ablegte. Fogg nutzte die Zeit, um die mächtigen weißen Klippen gegen den ruhigen Ärmelkanal zu betrachten. Im Hafen wartete bereits der Raddampfer, dessen Kessel sanft summten und sichere Passage versprachen. Während der Überfahrt bewahrte Fogg seine typische Ruhe, den Blick starr auf den Horizont gerichtet, während Wellen das Deck schwanken ließen. Briefe von Freunden und skeptischen Bekannten erreichten Passepartout, doch Fogg mied jegliches Geplauder. Nur wenn das Gongsignal jede Stunde ertönte, warf er einen prüfenden Blick auf seine Taschenuhr – ein steter Mahner, dass jede verlorene Sekunde den Wettstreit gefährden konnte. Als sie in Calais anlegten, war der französische Morgen in zartes Goldlicht getaucht und schien ihr ehrgeiziges Unterfangen zu segnen.

An Bord des Pariser Schnellzugs verfolgten die beiden, wie Kanolafelder und Weinberge vorbeizogen. Alte Städte mit Türmen und Wehrmauern erzählten von Jahrhunderten Geschichte. Zwischenhalt am geschäftigen Gare de Lyon, dann weiter zu ruhigeren Stationen am Fuße der Alpen – jeder Umstieg ein Tanz aus Gepäckträgern, Bahnbeamten und dem leisen Zischen des Dampfes. Durch einen dünnen Dunstvorhang leuchteten die schneebedeckten Alpen auf, eine schroffe Schranke zwischen Europa und dem Osten. Der Zug kletterte über gewundene Viadukte, ratterte durch Tunnel, in Fels gehauen, und löste bei Erstreisenden ehrfürchtiges Staunen aus. Fogg blieb ungerührt, doch Passepartout spürte das Herz schneller schlagen, als Felswände vorbeiflitzten. Nach dem letzten Alpenpass brachte der Abstieg nach Turin nicht nur Erleichterung, sondern auch ersten italienischen Sonnenschein. Frisch verlegte Schienen zum Mailänder Anschlusszug – Fogg studierte den Fahrplan, nickte knapp und signalisierte: „Wir sind im Zeitplan.“
Von Mailand führte der Schnellzug durch die weiten Ebenen der Lombardei, vorbei an reifen Feldern und üppigen Obstwiesen. In der Dämmerung warfen Häuser und Bäume lange Schatten, als wollten sie das Hinterland eng umschließen. Speisewagen lockten mit dampfendem Risotto und Polenta – eine köstliche Abwechslung zu den knappen Vorräten, die Passepartout sorgsam gepackt hatte. Fogg genoss ein Glas Chianti, eher aus Höflichkeit als wegen echten Appetits, und kehrte rasch zu seinem Globus zurück. Unter sanftem Gaslicht brummten die gedämpften Gespräche französischer und italienischer Mitreisender wie ein Schlaflied. Als die Nacht endgültig hereingebrochen war, zog Fogg eine schlanke Zigarre, ließ den Rauch gen Decke kräuseln und drückte sie dann aus. Er wirkte gelassen, obwohl jede Minute den Wettkampf entschied. In Brindisi wehte ihn ein schwüler Luftzug an Deck, Palmen reckten sich im Hafendunst und ferne Glocken kündigten seinen nächsten Eilzug zum Roten Meer an.
An Bord der SS Marquess of Glenard musterte Fogg glänzendes Messing und poliertes Holz, während Unterdeck enge Kabinen im Gleichklang der Maschinen summten. Der Duft salziger Gischt kroch durch jedes Bullauge. Passepartout, ungewohnt auf See, wanderte unruhig auf dem Promenadendeck, prüfte Abfahrtslisten und Manifestlisten. Draußen vereinten Meer und Himmel sich zu unendlichem Blau, nur unterbrochen von Fischerbooten am Horizont. Unheilverkündende Wolken zogen auf, doch Fogg befahl dem Kapitän stoisch: „Volle Fahrt voraus!“ Als ein Squall Wellen über das Deck jagte, sicherte Fogg seinen Zylinder und kehrte unten in den Maschinenraum zurück, um den Kesseldruck zu kontrollieren. In der Kombüse bot der Koch Melonenscheiben und dünn geschnittenen Schinken – eine seltene Köstlichkeit, die Passepartout zum Lächeln brachte. Bei Tagesanbruch hatte sich der Sturm gelegt, und die See glitzerte wie flüssiges Gold. Jeder neue Sonnenaufgang kürzte die verbleibende Zeit – für Fogg der einzig wahre Maßstab.
In Port Suez stiegen sie aus und trafen auf die karge Schönheit der Wüstenküste. Kamele und Karawanen harrten am Kai, Sinnbilder einer Welt, die gemächlicher und zugleich unberechenbarer war als das industrielle Europa. Passepartout handelte Begleitschutz und Tierhändler aus, voller Elan trotz der drückenden Hitze. Fogg beobachtete fasziniert den Kontrast zwischen Zugplänen und den unvorhersehbaren Rhythmen der Wüste. Ihre Vorräte luden sie auf einer Kamelkarawane, jede Kiste und jeder Kanister akribisch gewogen und erfasst. Als die ersten Dünen am Horizont aufragten, warf Fogg einen prüfenden Blick auf seine Taschenuhr – ein weiterer Prüfstein auf dieser Reise. Absolute Stille herrschte, nur das Klappern von Hufen und das Murmeln fremder Sprachen durchbrachen sie. Mit der aufgehenden Sonne begann die nächste Etappe, dichter Sand forderte Ausdauer, doch Foggs Ruhe verlieh allen neuen Mut.
Bei Einbruch der Dämmerung erreichte die Karawane eine Oase mit Dattelpalmen um eine klare Quelle – ein seltener Lichtblick. Lagerfeuer flackerten, während Beduinen Fladenbrot und würzigen Eintopf zubereiteten. Fogg gönnte sich eine Tasse Minztee, um Kräfte zu sparen. Im Laternenlicht verglich er Fahrtenbuch und verbliebene Stunden bis zum Verstreichen der achtzig Tage. Passepartout erzählte den neugierigen Beduinen von Tageswundern, sein französischer Akzent rollte sanft durch die Nacht. Draußen zeichneten sich Dünen als stumme Monumente der Natur ab. Fogg lauschte dem Ruf einer Eule und erneuerte im Flüstern des Windes sein Gelöbnis. Als der Mond die Dünen silbern beleuchtete, zog sich Fogg in sein Zelt zurück, bereit für einen neuen Tag.
Gefahren auf See und in der Wüste
Nach der Rast in Suez bestiegen Fogg und Passepartout erneut die SS Marquess of Glenard für die Überfahrt durch das Rote Meer. Warme Brisen trugen Salz- und Wüstengeruch mit sich, vermischten sich mit dem Dröhnen der Maschinen und dem Knarren der Takelage. Passagiere tauschten Geschichten über antike Ruinen und Karawanen aus, während Fogg pflichtbewusst im Schiffsmanifest rechnete und jede Stunde auf ihren Einfluss auf den Zeitplan prüfte. Der Kapitän, ein wettergegerbter Seemann mit buschigem grauen Bart, versprach zügige Fahrt, warnte jedoch vor Stürmen im Golf von Aden. Jeden Morgen stand Fogg am Relinggeländer, Fernglas in der Hand, suchte den Horizont nach Verzögerungen ab. Unter Deck sorgte Passepartout für Verpflegung und befestigte ihr Gepäck gegen die Bewegung der Ladung. Eines Morgens tauchte im Morgendunst die Silhouette einer Sandbank auf – eine stille Mahnung an die Naturgewalten. Als das Schiff näherkam, bereiteten Matrosen die Anker vor, und Fogg nickte knapp: Alles in bester Ordnung. Das Azurblau des Meeres spiegelte den wolkenlosen Himmel, doch Fogg blieb unbeeindruckt – Zeit war sein schärfster Gegner.

In Bombay endete die Schiffspassage in einem bürokratischen Labyrinth aus Monsunregen und überfüllten Perrons. An Bord des Grand Bengal Express bestaunte Fogg smaragdgrüne Reisterrassen, Palmenhaine und prächtige Tempel. Doch der beständige Monsunregen drohte Gleise aufzuweichen und ihre Weiterreise nach Kalkutta zu verzögern. Bahnbeamte inspizierten jede Schiene, während Passepartout örtliche Ingenieure bestach, um ihre Tickets schnell freizubekommen. Dorfbewohner suchten Schutz unter Banyanbäumen, Donner grollte über dem Himmel. Fogg blieb unerschütterlich, prüfte seine Uhr und befahl dem Lokführer, vorsichtig, aber mit voller Kraft weiterzufahren. Die alte Lok stieß Dampf aus, ihre Räder rutschten auf nassen Schienen – doch sie preschte vorwärts, als werde sie von Foggs Willen angetrieben. Schließlich erreichten sie das regennasse Kalkutta, wo ein Regenbogen müde Blumenbogen spannte – ein stilles Versprechen besseren Fortschritts.
Seine nächste Herausforderung erwartete Fogg an Land: eine Karawane durch die karge Rajasi-Wüste. Er engagierte einen erfahrenen Beduinenführer, bestieg ein kräftiges Dromedar und machte sich mit seiner Gruppe auf den Weg. Die Dünen türmten sich in goldenen Wellen, Orientierungspunkte waren rar. Abends lagerten sie bei Fackelschein, genossen würzigen Eintopf und lauschten den Flötengesängen von Nomaden. Passepartout führte akribisch Wegprotokolle, sein Notizbuch füllte sich mit Skizzen von Sandmeeren und Oasen. Fogg bewahrte stoische Ruhe, obwohl Schweiß seine Stirn benetzte und die Sonne erbarmungslos brannte. Ein plötzlicher Sandsturm zwang sie in ein Zelt – Fogg prüfte ungerührt die Route und genehmigte leichte Umwege. Nachts leuchteten unzählige Sterne, wiesen der Karawane den Weg und stärkten Foggs Entschlossenheit. Mit jeder überquerten Meile wuchs sein Siegeswille trotz schwindender Kraft.
Zurück am Hafen von Bombay bestiegen sie die SS Sakura in Richtung Yokohama und den weiten Pazifik. Der Stahlrumpf schnitt durch meterhohe Wellen, Möwen kreischten über ihnen. Fogg kontrollierte die Barometerwerte, nickte kurz den Offizieren und zog sich an die Reling zurück. Passepartout freundete sich mit Händlern aus Karachi an, tauschte Reiseanekdoten und Andenken. Sie studierten Karten nach der kürzesten Route, verglichen Abfahrtspläne und berechneten jeden einzelnen Tag bis zur Ankunft. Nachts glühten phosphoreszierende Wellen unter dem Schiff, Leuchttürme warnten am Horizont. Ein Tropensturm brach los, peitschende Wellen ließen Lampen in den Gängen schwingen – doch Fogg dirigierte die Maschinen unbeirrt, bis der Sturm verebbte. Nun steuerte die Sakura auf asiatische Inselhäfen zu, und jeder verlorene Moment wog schwerer denn je.
Das letzte Teilstück durch China legten sie im Peking Express zurück, einem Zug, der sich durch Bergketten und Küstenebenen schlängelte. Passkontrollen und Sprachbarrieren forderten Foggs kühlen Verstand; er zog einen Dolmetscher zurate, den japanische Gastgeber empfohlen hatten. Prunkvolle Waggons kontrastierten mit den ärmlichen Zeltlagern draußen. Als eine Tunnelkollaps bei Shanghai den Zug stoppte, blieb Fogg gelassen an Bord und sandte Eilboten zur Reparatur. Stunden später war die Strecke wieder passierbar und der Express preschte weiter durch grüne Teeplantagen und vorbei an alten Pagoden. Dicht gedrängte Schaulustige drängten an den Bahnsteigen, gespannt auf den Mann mit der unerschütterlichen Uhr. In jedem Handschlag und jeder Verbeugung reiste Foggs Ruhm schneller als jede Lokomotive – Beweis für Präzision und Zielstrebigkeit. Als Vladivostok nahte, der letzte Halt Asiens, spürte Fogg kurz Triumph – doch er wusste, dass nur perfekte Durchführung den Sieg in London besiegeln würde.
Von Vladivostok starteten sie an Bord der SS Pacific Star zur langen Pazifiküberquerung und der transkontinentalen Fahrt durch Nordamerika. Sie studierten die Fahrpläne der Transsibirischen Eisenbahn, hofften, verlorene Stunden zurückzugewinnen und Wartezeiten an kalten Stationen zu minimieren. Mit jedem zurückgelegten Seemeilen sank die Temperatur, und Fogg zog einen schweren Mantel über – ein seltener Bruch mit seiner gewohnten Garderobe. Welle um Welle peitschte gegen den Rumpf, doch die Pacific Star hielt Kurs, als gehorche sie Foggs unerschütterlicher Entschlossenheit. Unter dem Sternenhimmel tauschten Reisende Gesichter über Rivalen und Zukunftspläne, ihr Flüstern verlor sich im Knarren des Schiffs. Fogg notierte Datum und Uhrzeit mit penibler Sorgfalt in seinem Logbuch – jeder Eintrag ein Triumph über Zufall und Dunkelheit. Als die Küste Nordamerikas am Horizont auftauchte, spürte Fogg erstmals seit London die Last seiner Wette leichter werden. In diesem Augenblick wussten Meister und Diener: Die letzten Kapitel dieses Rennens würden jeden Funken ihrer Ausdauer und List fordern.
Der letzte Sprint nach Hause
Nach monatelanger Seefahrt und unzähligen Meilen auf staubigen Pfaden erreichte die SS Pacific Star den nebelverhangenen Hafen von San Francisco. Der Name auf dem Rumpf versprach schnelle Weiterreise über Amerikas neue transkontinentale Schienen. Fogg stieg mit derselben unfehlbaren Ruhe an Land, richtete seine Chronometer aus und setzte einen Schritt vor den anderen. Passepartout, den Hut im Wind leicht schief, bestaunte die wuchtige Golden Gate Bridge. Auf dem Rangierbahnhof warteten glänzende Lokomotiven aus Stahl und Messing, bereit, sie durch endlose Prärien und Bergketten zu tragen. Das amerikanische Schienennetz barg jedoch eigene Tücken: Fahrplankonflikte, Schienenschäden und misstrauische Blicke der Siedler. Fogg bewältigte jede Hürde mit kühler Gelassenheit und griff zu präzisen Geldscheinen, um vorrangige Abfahrt zu sichern. Jede gewonnene Stunde rechnete er penibel gegen die Frist an – jede kostbare Minute brachte ihn dem kühnsten Wettstreit der Geschichte näher.

Detective Fix, überzeugt, dass Fogg hinter einem kürzlichen Banküberfall steckte, verfolgte den Engländer heimlich von Bahnhof zu Bahnhof. In zivil sammelte Fix lokale Gesetzeshüter um sich, auf der Suche nach Beweisen, doch Foggs lückenlose Papiere vereitelten jede Festnahme. Passepartout erkannte Fix’ verstohlene Blicke und warnte seinen Herrn. Fogg nickte nur höflich, während sein Blick den blinkenden Stationsuhren galt. Als der Express in Cheyenne zur Kesselkontrolle hielt, sprach Fix Passepartout heimlich an – doch ein wohlgesetzter Scherz lenkte die Aufmerksamkeit ab. Die schrille Pfeife des Zugführers zwang Fix zur Aufgabe, der Zug fuhr weiter. Aus dem Beobachtungswagen sah Fogg, wie der Schatten des Detektivs in der Ferne verschwand. Gelassen nahm er jede Störung als Teil seines logistischen Balletts.
Die endlose Weite der Nebraska-Prärie wich den bewaldeten Hügeln der Alleghenies, wo kalte Nächte Fogg an ferne Himalaja-Dämmerungen erinnerten. In Schlafwagen, voneinander getrennt durch Leinenvorhänge, gönnte er sich kurze Pausen zwischen akribischer Planung. Passepartout, nun ein erfahrener Reisender, kochte Kaffee auf einem tragbaren Ofen, dessen Duft sich mit fernen Signalhörnern mischte. Draußen leuchteten Bahnhofslaternen auf Kleinstädte entlang der Bahn – jedes versprach frische Vorräte und die Möglichkeit, Neuigkeiten nach London zu senden. Fogg erhielt Briefe von Banken und Freunden, die sein Bild als unerschütterlicher Gentleman festigten. Doch jeder Meile verschmälterte jene knappe Reserve zwischen Triumph und Untergang, und Fogg sprach fast nur noch Abfahrtszeiten aus. In Chicago zwang ein Motorschaden den Express zum Halten; statt sich zu ärgern, arrangierte Fogg gelassen eine Postkutsche, die eine entscheidende zweistündige Lücke schloss. Endlich wieder an Bord, war verlorene Zeit kaum noch ein Thema.
Durch verschneite Flüsse und schneebedeckte Dörfer fuhr der Express weiter nach Neuengland. Frost glitzerte auf Tannenzweigen, die im Licht der Scheinwerfer gespenstische Schatten warfen. Im Wagen teilten Reisende heiße Schokolade, lauschten Sensationsmeldungen über Foggs fast übermenschliche Fahrt. Passepartout, der den Ofen heizte, lächelte über die Ironie: Eine Wette gegen den Zufall war selbst zur Legende geworden. In Portland bestiegen sie einen Küstendampfer nach Halifax, bereit für die letzte Atlantikpassage. Im Waggon, den sie verließen, blieb die Spannung hängen – die Reisenden ahnten, dass Geschichte geschrieben wurde. An Deck prüfte Fogg das Logbuch, korrigierte seine Zeitmarge – ein hauchdünner Vorsprung bis zum Ziel. Während die Maschine ihre Spur in die eisige See grub, erlaubte er sich einen seltenen Moment stiller Zuversicht.
Die Überfahrt auf der SS Arctic begann harmlos mit ruhigem Kielwasser und tanzenden Nordlichtern. Plötzlich zog ein Sturm auf, und das Schiff schwankte bedrohlich. Die Mannschaft sicherte Planen, Fogg half routiniert mit, sein Blick unerschütterlich im Heulen des Windes. Passepartout half einem Seekranken, sammelte eilig Gischt vom Deck – dankbare Blicke waren sein Lohn. Trotz tosenden Sturms hielt der Kapitän den schnellsten Kurs nach Liverpool. Als der Morgen dämmerte, glitzerten Segel und Takelage im Frost, und die Umrisse des Hafens zeichneten sich wie ein geisterhaftes Gemälde ab. Am Bug stehend, spürte Fogg die letzten Atlantikwinde an seinem Mantel, während er letzte Berechnungen anstellte. Trotz der widrigen Passage hatte er fast sechs Stunden aufgeholt. Mit Englands Klippen am Horizont bereitete er sich auf den finalen Sprint nach London vor.
In Liverpool eilte Passepartout voraus, um die Abfahrt des Midland Limited nach Euston zu sichern. Fogg folgte in ruhigem Schritt, Taschenuhr in der Hand, jede Minute zählend. Der Midland Limited donnerte durch grasbewachsene Hügel und Fabrikstädte, beleuchtet von flackernden Laternen. Neugierige Reisende lehnten sich aus den Waggons, hofften auf einen Blick des Mannes, dessen Name bereits Kontinente umwehte. Als der Zug auf den Bahnsteig zurollte, füllte sich die Halle mit erstaunten Rufen und Applaus. Fogg stieg mit einem formellen Nicken ein, begleitet von Gepäckträgern, die die historische Bedeutung erahnten. Kurz schloss er die Augen, stellte sich den Rasen des Reform Club und den genauen Moment des Sieges vor. Zehn Minuten vor Ablauf der achtzig Tage quietschte der Express in Euston Station – Jubel brach los. Phileas Fogg trat ohne Makel aus dem Waggon, sah mit einem leichten Lächeln zur großen Bahnhofsuhr. In diesem Augenblick offenbarte sich der wahre Wert seiner Wette: mehr als Geld, ein Triumph menschlicher Ausdauer über die Zeit.
Fazit
Phileas Foggs außergewöhnliche Reise bewies, dass der menschliche Wille die Grenzen des Möglichen verschieben kann. Was mit einer scheinbar einfachen Wette in einem Londoner Club begann, führte ihn durch sturmgepeitschte Meere, karge Wüsten, industrielle Eisenbahnlinien und diplomatische Verwicklungen. Jede Prüfung – Monsunstürme in Indien, sandverwehte Karawanen unter der Wüstensonne oder Lokomotivausfälle in der Ferne – verwandelte Fogg durch minutiöse Planung und gelassene Anpassung in einen Vorteil. Neben ihm verwandelte sich Passepartout vom naiven Diener zum unentbehrlichen Vertrauten, ihre Partnerschaft verlieh der Erzählung Herz und Erfindergeist. Obwohl die Zeit ein unerbittlicher Gegner blieb, zeigten Foggs penible Vorbereitung und kühle Flexibilität, dass selbst widrigste Umstände zu Chancen werden können. Als er wenige Minuten vor Ablauf seiner Frist wieder britischen Boden betrat, demonstrierte er, dass Mut und Ausdauer ebenso unverzichtbar sind wie jede Dampflokomotive oder jede Segelyacht. Seine Umrundung der Erde wurde weit mehr als ein in Francs gesetzter Sieg – sie wurde zum Symbol für den unermüdlichen Drang des Menschen nach Entdeckung und Triumph über alle Widrigkeiten.