Introduction
In dem schwach beleuchteten Studierzimmer meines Großvaters altem Herrenhaus stieß ich auf einen Schatz verstaubter Manuskripte, der meine Wahrnehmung für immer verändern sollte. Der Ledereinband des Bandes war rissig und vom Alter geglättet, seine Zeichen für jede bekannte Sprache unentzifferbar, und doch kamen sie mir tief in meinem Geist merkwürdig vertraut vor. Jede brüchige Seite hauchte die Kälte einer versunkenen Gruft aus, während ich verblasste Tinte verfolgte, die unter meinen zitternden Fingerspitzen zu pulsieren schien. In den Randnotizen meines Großvaters las ich von unmöglicher Geometrie auf muschelüberzogenen Säulen, versunken in einer jenseitigen See, und von Träumen, die Entdecker in namenlose Reiche führten, die euklidischem Denken spotteten. Er schrieb in hastigem Tonfall, als könne der bloße Schreibakt eine unbenennbare Grauen abwehren, das an der Grenze der Wahrnehmung lauerte. Flackerndes Fackellicht tanzte über die Wände des kerzenbeleuchteten Zimmers, während ich jede Seite umblätterte, gefesselt von Berichten über einen heimlichen Kult, der geschworen hatte, einen uralten Gott zu erwecken. Mit jedem Wort legte sich ein schleichender Schrecken wie ein eisiger Anker in meine Brust. Ich spürte, dass dies keine Aberglauben einer vergangenen Epoche waren, sondern Warnungen in fiebriger Schrift von Gelehrten, die wussten, dass der Schleier zwischen den Welten so leicht zerreißen konnte wie Pergament. Als draußen der Sturm seinen Höhepunkt erreichte, begriff ich, dass mein Leben fortan mit Mächten verwoben sein würde, die älter und furchterregender waren, als menschliche Vernunft fassen konnte. Dies ist der Bericht meiner Reise in den Abgrund, in dem die Wirklichkeit sich verbiegt und der Ruf Cthulhus erklingt wie ein entferntes, unterseeisches Chor, dem kein Geist entkommen kann.
Erwachen der Tiefen
Im Winter 1926 stieß ich erstmals auf ein Fragment der Legende des Cthulhu-Kults in einem Bündel zerfallender Briefe und verblasster Fotografien meines verstorbenen Großonkels. Er, Professor Angell, war ein angesehener Anthropologe, dessen spätere Forschungen ihn weit weg von den sicheren Hallen der Neuengland-Akademien in dunklere Gefilde führten. Die Box erreichte mich in New Orleans, inmitten eines Nebels aus Frühjahrsluftfeuchtigkeit, der die Straßen unter flackernden Gaslaternen zum Glänzen brachte. Ich schlug die ersten brüchigen Seiten in meinem engen Hotelzimmer auf, erleuchtet von einer einzigen Öllampe, die das schmiedeeiserne Geländer des Balkons in sanftes Licht tauchte. Die Briefe erzählten von lebhaften Albträumen, die in ihren Formen wandelten wie Leviathane, die unter kalten Wellen erwachten. Sie beschrieben nichtmenschliche Bauwerke in der Karibik, auf vergessenen Inseln, wo die Erinnerung selbst zu fließen schien wie Wasser an Felsen. Die Abbildungen zeigten eine Reliefdarstellung einer monströsen Gestalt, halb Krake, halb Drache, schwebend zwischen sich windenden Säulen, ihre Augen hohl wie sternenlose Abgründe. Beim Lesen dieser Beschreibungen überkam mich Furcht, doch der unwiderstehliche Zug in jene arcane Überlieferung wurde nur stärker. In einem Eintrag warnte Professor Angell vor einem Kult, dessen Anhänger Namen flüsterten, älter als jede lebende Sprache, Namen, die auf einer unterbewussten Frequenz widerhallten. Er verfolgte ihre Spuren bis zu geheimen Versammlungen, die von den Bayous Louisianas bis zu versunkenen Ruinen unter arktischem Eis reichten. Jeder Brief war mit einer hastig gezeichneten Skizze von kantigen Steinblöcken versehen, in unbekannten Glyphen gemeißelt, als wären die Gesetze der Perspektive von einer fremden Hand verzerrt worden. In den Marginalien gestand mein Großonkel in bebender Handschrift, kein Sterblicher dürfe jemals die schlafenden Mächte wecken, die er beschrieb. Je weiter ich las, desto mehr dämmerte mir, dass dies nicht bloße wissenschaftliche Neugier war, sondern eine Einladung von etwas Uraltem und Geduldigem. Eine Stimme, älter als jede Legende, rief mich zu Horizonten, die mein Verstand kaum zu erahnen wagte. Jede Nacht wurde dieser leise Ruf lauter, drang in meine Träume, deutete auf Städte hin, die in den tiefsten Gräben des Ozeans schlummerten. Ich begriff, dass meine Reise in dieses verbotene Reich erst begonnen hatte und die Schwelle, die ich überschritt, mich für immer verändern würde.

Schatten über den Meeren
Monate später erwachte ich schweißgebadet nach einem Traum von kyklopischen Toren, die sich unter kochenden Strömungen zuschlugen. In jenem Traum legte ich meine Hand gegen eine monolithische Tür, in die kunstvolle Spiralen eingeritzt waren, die phosphoreszierend-grün pulsierten. Eine Stimme, so grollend wie donnernde Becken, hallte aus einer Höhle, tiefer als der Ozean selbst, und versprach Enthüllungen, zu gewaltig für einen menschlichen Verstand. Ich schreckte auf und roch den salzigen Hauch von Meer, der durch die Nachtluft kroch, und entdeckte ein fremdartiges Kratzen an meiner Kajütentür. Bei Tagesanbruch fand ich eine schleimige Spur aus leuchtendem Rückstand auf dem Holzfußboden, als hätte ein unsichtbares Wesen meinen Traum durchquert. Kurz darauf erreichte mich ein Telegramm von der Küstenwache – vor der Küste des Golfs trieb ein Schiff führerlos, die Besatzung verschwunden, Schiffstagebücher mit kryptischen Zeichen bedeckt. Meine vertraute Welt, gebaut auf Karten und Fahrplänen, begann, sich in ein Geflecht aus Unwirklichkeiten und Furcht aufzulösen. Entschlossen heuerte ich auf einem verwitterten Frachter an, der in offene Gewässer fuhr. Die Reise stellte jedes Faser meiner Ausdauer auf die Probe; Stürme brüllten mit bedrohlicher Intelligenz, und Blitze enthüllten gigantische Gliedmaßen unter der Wasseroberfläche – Kolosse, die im phosphoreszierenden Dämmerlicht trieben. Matrosen murmelten von Gesängen, die aus den Tiefen stiegen, und von Kultisten, die in abgelegenen Buchten um Mitternacht Beschwörungen abhielten. Nächte ohne Schlaf verbrachte ich damit, jedes Detail festzuhalten, vom Knarren des Rumpfs bis zum entfernten Trommelschlag, der durch die Stahlböden drang. Als die Vorräte auf geheimnisvolle Weise zusammenschrumpften und die Enge an Bord mich verrückt zu machen drohte, spürte ich, wie die Grenzen der Wirklichkeit ausfransen wie altes Segeltuch. Der Schrei des Ausgucks in der fünften Nacht brannte sich unauslöschlich in mein Gedächtnis: Schwarze Steinpfeiler, unvorstellbar hoch, ragten aus dem Nebel, ihre Winkel spotteten jeder euklidischen Logik. Meine Aufzeichnungen enden in wirrem Gekritzel, denn ich erkannte, dass die Stadt R’lyeh keine Halluzination war, sondern ein lebendiger Alptraum unter dem Meer, bereit, eines Tages aus chirurgischer Tiefe emporzusteigen und ihre Herrschaft über Land und Himmel zurückzufordern.

Die Offenbarung des Träumers
Ich muss gestehen, dass das, was folgte, alle Grenzen rationalen Denkens und gesunden Menschenverstands sprengte. Die Begegnung in R’lyeh veränderte jeden Zeugen unwiderruflich, unsere Erinnerungen vermischten sich mit fiebrigen Visionen, die kein Gelehrter zu katalogisieren vermochte. Ich dokumentierte, was ich konnte, ehe die Last dieser kosmischen Enthüllung meinen Willen zerschmetterte. Zurück im Hafen fehlte jede Spur von korallenüberzogenen Türmen oder kyklopischen Plätzen – nur die vertrauten Kais und Gaslaternen einer Welt, die sich weigerte, ihre Berührung mit dem Nichts zu erinnern. Matrosen berichteten von Geisterschiffen, die kurz in fernen Häfen auftauchten, nur um wieder unter wellenförmigem Wasser zu verschwinden. Gerüchte von abgelegenen Tempeln in Regenwaldkronen, wo Kultisten unter mondloser Nacht eldritch Riten abhielten, sickerten in jede Tavernenstube und jeden Universitätskorridor. Ich konsultierte Kryptographen, die behaupteten, Fragmente jener fremden Zunge dechiffrieren zu können, nur um bleich und zitternd zusammenzubrechen, während die Phrasen in ihren Köpfen wie gespenstische Wiegenlieder nachhallten. Nacht für Nacht kehrten Träume zurück: versunkene Arkaden, Vibrationen hymnischer Klänge, die sich über Ozeane und Jahrhunderte spannten. Ich begann, den Schlaf selbst zu fürchten, denn jeder Traum öffnete eine Tür zu einem zeitlosen Abgrund. Gelehrte, die einst das Mythos verspottet hatten, flüsterten nun von flimmernden Sternen und invertierten Konstellationen in staubigen Kuppelskizzen ihrer Observatorien. Ich schrieb jedes Zeugnis in einem letzten Band nieder, in Ölzeug gebunden und mit schwarzem Wachs versiegelt. Sein Titel bleibt ungeschrieben – eine Leerstelle, geboren aus der Furcht, was noch durch den Riss der Wirklichkeit schlüpfen könnte. Nun bin ich verbannt und von Schemen jenes träumenden Gottes heimgesucht; ich spüre, wie die Schwelle zwischen unserer Welt und der kosmischen Tiefe mit jeder Jahreszeit weiter bröckelt. Dies ist meine Warnung: Manche Erkenntnis wiegt schwerer als jede Angst, und manche Türen, ein einziges Mal geöffnet, bleiben auf ewig einen Spalt breit offen, damit Cthulhus Schlaflied in jeden zersplitterten Geist sickern kann.

Schlussgedanken
In den Jahrhunderten seit Professor Angells erster Entdeckung halten sich die Flüstern von Cthulhus drohendem Erwachen in jedem Winkel menschlichen Gedächtnisses. Wir errichten Mauern aus Gewissheit und Fortschritt, doch unter der Oberfläche tost der Abgrund mit unermesslicher Geduld, jenseits unseres kurzen Daseins. So sehr wir uns auch an Vernunft und Wissenschaft klammern, die uralten Rhythmen der Tiefe marschieren unbeirrt ihrer bestimmten Stunde entgegen. Ich schreibe diesen letzten Bericht in einem Moment unruhiger Stille vor dem bevorstehenden Sturm. Sollten die Sterne sich erneut fügen, könnte unsere Welt von ihren zerbrechlichen Verankerungen losgerissen werden, um in ewige Nacht unter dem Blick jenes träumenden Gottes geworfen zu werden. Bewahrt diese Worte als Leuchtfeuer gegen das Nichts, denn unser zerbrechlicher Funke des Bewusstseins mag die einzige Flamme in der Finsternis sein. Mögen diese Chroniken euren Willen stärken, denn angesichts solcher kosmischer Mächte wird Mut zum kostbarsten Verteidigungspanzer. Doch er bleibt fragil, zerbrechlich durch das Echo primordialer Wahrheiten. Wenn ihr diese Seiten findet, nehmt sie ernst. Betet, dass die Schwelle zwischen Wachsein und Alptraum nie wankt, denn in dieser Spalte liegt unsere einzige Hoffnung, die Rückkehr der Großen Alten zu überstehen.