Einleitung
Mitten im weiten australischen Outback, wo roter Staub wie geflüsterte Erinnerungen über ockerfarbene Ebenen zieht, lag einst ein Land voller versteckter Wasserlöcher, geheimer Quellen und schlängelnder Bäche, die sich durch felsige Schluchten wie schimmernde Silberbänder schlängelten. Dies war eine Welt, erfüllt vom leisen Plätschern der Schildkröten unter Seerosenblättern, den ehrfurchtsvollen Fußspuren der Kängurus an verborgenen Billabongs und den spiegelnden Himmeln, die das große himmlische Geflecht darüber widerspiegelten. Hier erwachte Tiddalik, der Frosch, aus seinem uralten Schlummer. Sein smaragdgrünes Fell glänzte noch vom Tau, und sein Herz pochte vor einer Sehnsucht wie nie zuvor. Der Legende nach hauchten ihm die Spirits der Traumzeit eine Kraft ein, die selbst den Drang nach Nahrung und Schutz in den Schatten stellte: Er verlangte jeden Tropfen Wasser. Mit einem mächtigen Quaken stürzte er seinen Kopf in das stille Wasser einer Felsenpfütze und begann unaufhaltsam zu trinken. Innerhalb von Augenblicken lag die einst üppige Oase, umgeben von schwingenden Schilfhalmen und goldenen Stelzenläufern, brach und rissig da. Tiddalik erhob sich, die Kehle geschwollen und siegreich, ohne zu merken, welche Stille seine Maßlosigkeit über das Land gebracht hatte.
Als die Sonne ihren Bogen über ferne Gebirgsketten zog, stellten Frösche, Wallabys, Emus und alle anderen Geschöpfe – groß und klein – fest, dass jedes Wasserloch verschwunden war, verschlungen vom unersättlichen Durst des riesigen Amphibiums. Panik breitete sich wie ein Lauffeuer über die rote Erde. Ohne Wasser konnte kein Känguru mehr springen, kein Dornteufel die Hitze in seinen Venen kühlen, und selbst die Flussgummibäume senkten ihre Zweige in stummem Klagelied. Von den trockenen Wombat-Bauten bis zu den leeren Höhlen unter den gespenstischen Gums hing das Leben selbst am seidenen Faden. Die Tiere standen vor einer Prüfung: Wie sollten sie Wasser aus Tiddaliks prall gefülltem Bauch locken und ihre Welt vor dem Austrocknen bewahren? Ihre einzige Hoffnung lag in List, Zusammenhalt und einem Lied aus Lachen und Licht – ein Plan, der den Traumzeitgeist wecken und alle daran erinnern sollte, dass das Gleichgewicht der Natur niemals gebrochen werden darf.
Das Erwachen von Tiddalik
In den frühesten Tagen der Traumzeit, als die Welt noch jung war und das Land vom Flüstern der Geister erschauert wurde, existierte eine friedliche Landschaft verborgener Wasserlöcher. Frische Bäche plätscherten über Steine, so glatt wie Perlen, und uralte Bäume schmückten ihre Äste mit Moos und Flechten. Amphibien wie Tiddalik waren unscheinbare Wesen, die zwischen Schilfhalmen und Schlamm sprangen. Doch unter einem Baldachin aus Gespenstbäumen lag in feuchter Erde ein einziges Ei von außergewöhnlicher Verheißung. Als Tiddalik schlüpfte, schimmerte seine Haut in Jade- und Goldtönen, und die Traumzeit hauchte ihm eine ungeheure Sehnsucht ein – keinen Hunger nach Beute, sondern nach Wasser selbst.

Als er heranwuchs, wurde Tiddaliks Durst nach Wasser legendär. Tag für Tag glitt er in sprudelnde Quellen, während seine Kehle bei jedem gewaltigen Schluck anschwoll. Regenwasser, das sich einst in verborgenen Senken sammelte, verschwand binnen Minuten, bis Farne welk hingen und Seerosen verdorrten. Die Frösche in den umliegenden Billabongs sahen fassungslos zu, Wallabys hielten mitten im Sprung inne, als sie die leeren Wasserlöcher erblickten, und Kängurus schnüffelten am Boden nach Feuchtigkeit, die längst verflogen war. Doch Tiddalik fühlte sich ungestört und war überzeugt, allein der wahre Hüter des Wassers zu sein.
Durch windgeflüsterte Schluchten und staubige Ebenen verbreitete sich Tiddaliks Gier auf den Flügeln von Kakadus und im Ruf der Kookaburras. Selbst der Rothschwanz-Glanzkakadu, mit hellem Federkleid und zackigem Ruf, tadelte ihn scharf: „Tiddalik“, rief er, „du bringst Leid über das Land! Gib das gestohlene Wasser zurück, oder wir werden vergehen!“ Doch der Frosch antwortete nur mit einem kehligem Quaken und reckte stolz seine Krone gen Abendhimmel, als wolle er die Sterne herausfordern, die ausgetrockneten Mulden wiederzufüllen.
Die Nacht senkte sich mit schwerer Stille, und die Tiere sammelten sich im geisterhaften Mondschein. Dingos schlichen heran, Emus streckten ihre Hälse ehrfürchtig in die Höhe, und Igelbeutler krochen aus ihren Bauen. Dort, in einem Rat unter den gekrümmten Gespenstbäumen, schworen sie, einen Weg zu finden, die Bäche und Pfützen wiederfließen zu lassen und das Wasser aus Tiddaliks gierigem Rachen zu locken. Denn ohne ihren gemeinsamen Einfallsreichtum und ihren Mut würde das Outback zu einer Staubwüste verkommen, und die Traumzeit selbst würde ihr Lied im Schweigen des Durstes verlieren.
Ein ausgetrocknetes Land
Nachdem Tiddaliks gefräßiger Durst gestillt war, stöhnte das Land unter der Last seines gestohlenen Wassers. Bäche, die einst tanzend über Steine flossen, lagen still und ausgetrocknet da. Flussgummibäume hingen in klagenden Bögen, ihre Rinde riss wie altes Pergament. Kängurus kratzten mit den Füßen in Staubhügeln, wo ihre Spuren einst zu schattigen Pools geführt hatten. Emus umrundeten leere Senken und suchten vergeblich nach der lebensspendenden Flüssigkeit. Sogar der Wind seufzte traurig und wirbelte müde Staubpartikel über den trostlosen Horizont.

Als die Morgendämmerung das Outback in Rosé- und Kupfertöne tauchte, versammelten sich die Tiere in einer großen Mulde unter einem mächtigen Eukalyptus. Der Kookaburra, dessen bunte Haube im ersten Licht glänzte, eröffnete den Rat und erinnerte an die Tage, als Wasser in jeder Vertiefung funkelte. „Als Tiddalik trank“, krächzte er, „hatte er nicht die Trauer im Blick, die er verursachte. Jetzt leiden wir alle.“ Der Dingo, schlank und wortkarg, nickte zustimmend. „Wir müssen unsere Klugheit nutzen“, knurrte er. „Allein ist jeder von uns klein, doch gemeinsam können wir viele Stimmen werden, ein Chor, der Tiddalik zum Lachen bringt – und Lachen könnte das Wasser freisetzen.“
Überall in der Versammlung regte sich selbst bei den scheuen Kreaturen neue Hoffnung. Das Ameisenigel rollte halb aus seinem Stachelkleid und murmelte in tiefer Stimme: „Ich kenne ein Lied voller Frohsinn, doch allein kann ich es nicht singen. Jemand muss der Erste sein, der tanzt.“ Ein Wallaby hüpfte vor, die Ohren gespitzt. „Ich werde fürs Leben tanzen“, erklärte sie stolz. „Für jedes Lebewesen, das Durst leidet, springe ich, bis mein Herz vor Freude über das zurückgewonnene Wasser leuchtet.“ Aus den Ästen stimmten Opossums in zustimmendes Gequake ein. Gemeinsam schmiedeten sie einen Plan aus Klang und Bewegung: Ein Tier würde tanzen, ein anderes singen, und ein Chor von Stimmen würde das Outback erfüllen, bis Tiddaliks großer Bauch vor Lachen bebte.
Als der Mond hoch im kobaltblauen Himmel stand, begannen die Vorbereitungen. Grillen stimmten ihre nächtliche Symphonie an, Emus übten ihren würdevollen Gang, und Frösche – trotz Tiddaliks Verrat – kauerten zusammen, um den alten Tanzschritt zu lernen. Das Land selbst schien zu lauschen, als habe die rote Erde den sanften Rhythmus des Regens im Gedächtnis und warte auf seine Rückkehr. Unter dem Sternenzelt nahmen die Tiere ihre Positionen ein, das Herz erfüllt von Furcht und Hoffnung zugleich, denn sie wussten: Dieser Plan barg ihre einzige Chance, das Wasser aus Tiddaliks geschwollenem Rachen zurückzulocken.
Die nächste Morgendämmerung würde zur Stunde der Wahrheit. Würde Tiddalik dem Jubel des Liedes nachgeben, oder würde er stolz und stumm verharren, das Land für immer dem Durst ausgeliefert?
Der kluge Plan entfaltet sich
Als die ersten Sonnenstrahlen den Horizont in Rost- und Goldtöne tauchten, erstrahlte das Outback in neuem Glanz. Die Tiere traten aus ihren Verstecken in einer langen Reihe hervor, jedes bereit, seinen Part im großen Vorhaben zu erfüllen. Die Grillen eröffneten mit einem zitternden Zirpen, webten ein sanftes Vorspiel, das über den brüchigen Boden waberte. Langsam betrat ein Wallaby die Lichtung, hob anmutig die Pfoten und wirbelte bei jedem Sprung Staubwolken auf, die wie ein flüchtiger Sonnenaufgang glühten.

Hinter ihr schreiteten Emus im würdevollen Takt, ihre langen Hälse formten gemessene Bögen. Opossums klatschten im Rhythmus, und Kookaburras kreisten hoch über ihnen, krächzten eine Melodie der Hoffnung. Die Beuteltiere bewegten sich, als stünde ein unsichtbarer Dirigent vor ihnen, jeder Sprung und jedes Quieken steigerte die Musik zu einem Crescendo, das die stillen Ebenen erbeben ließ. Sogar der Wind regte sich voller Staunen und trug die Melodie über ausgetrocknete Flussbetten in die felsigen Schluchten, wo Tiddalik lag wie ein kolossaler, grüner Fels.
Zunächst blieb der Frosch reglos, seine Nüstern weiteten sich, während er das ungewöhnliche Schauspiel aufnahm. Seine Kehle pulsierte unter der Last des gestohlenen Wassers, und seine runden Augen blinzelten im Takt der Tänzer. Doch als die Gesänge ihren Höhepunkt erreichten, begann ein tiefes Grollen in seinem Bauch, so mächtig wie Donner durch ferne Hügel. Die Tiere hielten den Atem an, als Tiddaliks Maul an den Mundwinkeln zu zittern begann. Dann durchbrach ein Geräusch wie tausend platzende Regentropfen die Stille – ein Lachen so rein, dass es in der Luft erzitterte.
Während Tiddalik lachte, brach das Wasser in einem plötzlichen Strom hervor. Zuerst bildeten sich kleine Rinnsale an seinem Kehlenansatz, sammelten sich zu Pfützen an seinen Füßen. Dann, als sei eine Schleuse geöffnet, brachen Fluten hervor, füllten ausgetrocknete Bachläufe und tränkten die durstige Erde. Das Lied trug das Wasser weiter, nährte jede Wurzel und jeden Grashalm, den es berührte. Farne entfalteten sich, Seerosen erblühten, und die Flussgummibäume reckten ihre müden Äste gen Himmel. Tiere stürzten herbei, um den frischen Lebensquell zu kosten – Frösche setzten ihr Gequake an sprudelnden Quellen fort, Kängurus sprangen voller neuer Kraft, und Emus tauchten ihre Schnäbel in das klare Nass.
Als das Lachen schließlich verklang und das Land wieder mit dem Gesang der Bäche erfüllt war, blickte Tiddalik erstaunt. Die Tiere näherten sich ihm ehrfurchtsvoll. „Wir haben uns nur das zurückgeholt, was uns nährt, nicht um dich zu strafen“, krächzte der Kookaburra sanft. „Mögest du niemals vergessen, dass Wasser allen Lebewesen gehört und geteilte Freude neues Leben schenkt.“ Tiddalik senkte demütig den Blick, seine imposante Kehle entfaltete sich, als er seinen Irrtum eingestand. Von diesem Tag an fiel bei jedem Lachen ein Tropfen Wasser auf die Erde – ein ewiges Zeichen dafür, dass Gleichgewicht in der Natur durch Gemeinschaft und geteilte Freude entsteht.
Fazit
Als die Sonne hinter den fernen Gebirgsketten versank und den Himmel in Streifen aus glühendem Orange und zartem Lavendel tauchte, summte das Land wieder vor Leben. Tiddalik der Frosch ruhte an einer funkelnden Quelle, sein Herz leicht und seine Kehle entspannt, wissend, dass Wasser frei für alle fließt. Die Tiere – Kängurus, Emus, Opossums und viele andere – tranken, tanzten und feierten unter den alten Gespenstbäumen, für immer verbunden durch die Erinnerung an ihre gemeinsame Tat. In der Traumzeit, die alles miteinander verwebt, wurde diese Geschichte zu einem Lied, das von Eltern ans Joey und von Alten an Kinder weitergegeben wird – eine Mahnung, dass Gier das Herz austrocknet und wahre Fülle nur durch Einigkeit und Lachen zurückkehrt. Wenn das Outback in Hitze knistert und die Kreaturen verzweifelt nach Erfrischung suchen, gedenken sie des Rates unter dem Vollmond und des Tanzes, der Tiddaliks Lachen entlockte. Und wenn ein einsamer Frosch an einem verborgenen Billabong quakt, trägt der Wind sein Lied als Segen: Wasser ist Leben und geteilte Freude das größte Geschenk.